Gericht bestätigt Diskriminierung: Nichtverlängerungsmitteilung unwirksam

Pressemitteilung

Stadt und Theater Naumburg müssen wegen Diskriminierung
Schadensersatz an Schauspieler zahlen

Hamburg/Naumburg, 30. Juni 2025 – Das Bühnenschiedsgericht Chemnitz hat in seiner Sitzung am Montag, 23.06.2025 entschieden, dass die Nichtverlängerungsmitteilung an den Schauspieler Antonio Gerolamo Fancellu unwirksam ist. Außerdem muss die Stadt Schadensersatz in Höhe von 5.000€ zahlen. Grund ist eine diskriminierende Begründung im Rahmen einer Nichtverlängerungsmitteilung eines Arbeitsvertrags.

Die Verträge der künstlerisch Beschäftigten an den Theatern sind befristet und verlängern sich automatisch, wenn nicht eine Nichtverlängerung, in der Regel aus künstlerischen Gründen, ausgesprochen wird. Der Intendant des Theater Naumburg, Stefan Neugebauer, begründete die Nichtverlängerung unter anderem mit der „südländischen Herkunft“ des Schauspielers Fancellu. Das Gericht befand, dass diese Begründung diskriminierend ist und gegen das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstößt, und entschied, dass die Nichtverlängerungsmitteilung unwirksam ist. Gleichzeitig wurde der Schadensersatzanspruch des Schauspielers in voller Höhe bestätigt.

Dem Urteil gingen bereits weitere arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen voraus. So wurde Antonio Gerolamo Fancellu schon im Herbst 2022 fristlos gekündigt, nachdem er sich intern und öffentlich für bessere Arbeitsbedingungen am Theater Naumburg eingesetzt hatte. Auch diese Kündigung ist Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. In zwei Instanzen hat das Theater bereits Niederlagen erlitten, die nächste Verhandlung steht voraussichtlich im Herbst 2025 an.

Antonio Gerolamo Fancellu sagt dazu: „Wenn ich das andere Verfahren auch noch gewinne, wonach es stark aussieht, kommen Kosten von über 100.000€ auf die Stadt Naumburg zu. Und das nur, wegen eines verletzten Weiße-Männer-Stolzes.“

Als die Arbeitgeberseite in der Verhandlung gefragt wurde, was denn mit „südländisch“ gemeint sei, war die Antwort: „Alles südlich von Naumburg“. Für Andreas Hammer, Landesverbandsvorsitzender der GDBA Ost, der vor Gericht auch als Zeuge geladen war, ist dieses Zitat unerträglich: „Ich hoffe, dass die Stadt und das Theater nun zu der Einsicht kommen, dass sie in der Vergangenheit einige Fehler begangen haben und nicht weiter in Berufung gehen und Antonio Gerolamo Fancellu zugestehen, dass er im Recht ist.“

Nachdem das Theater in zwei Instanzen verloren hatte, wurde Fancellu mit der diskriminierenden Begründung vorsorglich ein weiteres Mal nichtverlängert. Da die künstlerischen Verträge an den Theatern dauerhaft befristet sind, gibt es wenig Schutz für die Beschäftigten, zumal auch die Betriebs- und Personalräte nicht beteiligt werden müssen.

Die Nichtverlängerungen aus künstlerischen Gründen können juristisch nicht überprüft werden und da oftmals eine Person allein entscheidet, können Theaterleitungen unliebsame Mitarbeitende relativ einfach loswerden.

Gerade der Fall von Antonio Gerolamo Fancellu zeigt, dass bei Nichtverlängerungen immer wieder die Frage im Raum steht, ob es sich hier nicht um missbräuchliches Verhalten handelt. Aus diesem Grund fordert die Bühnengewerkschaft GDBA als Künstler:innengewerkschaft eine grundlegende Reform der Nichtverlängerungsparagrafen im Tarifvertrag NV Bühne.

Hier finden Sie die Pressemitteilung als PDF.

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